Zu viel Pendelei in Berlin?

Freitag, 15. Mai 2015 00:00

Der Kernsatz eines schönen Artikels im Mai 2015 im Berliner Tagesspiegel (Zitat) lautet:

"Brandenburg ist als Wohnort für berufstätige Berliner offenbar kaum gefragt. Während in anderen deutschen Metropolen oftmals mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer ausserhalb der Stadtgrenze wohnt und täglich zur Arbeit pendelt, sind es in Berlin nur 21 Prozent. Das belegen aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die der Verband Berlin - Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) jetzt ausgewertet hat."

Da kann man doch mal sehen, welche positiven Auswirkungen es hat, wenn eine Stadt seinen Bewohnern ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu bieten hat. Ich finde, dass man gar nicht deutlich genug hervorheben kann, welchen Schatz wir als Berliner hier in unseren Händen halten: Eine Stadt in der sich ein Normalverdiener in der Innenstadt immer noch eine Wohnung leisten kann, ist definitiv eine globales Alleinstellungsmerkmal.

Und dann beschwert sich der Verband der Wohnungsunternehmen, dass zu wenig gependelt wird. Das halte ich für einen heiklen und nicht gerade zukunftsorientierten Standpunkt.

Wenn ich mir die Situation in anderen - insbesondere angelsächsisch geprägten - Städten wie New York oder London anschaue, befindet sich dort soviel sinnloses Kapital im Wohnungsmarkt, dass Eigentümer auch durch jahrelangen Leerstand nicht beunruhigt sind und weiter auf höhere Veräusserungs - Erlöse spekulieren. Dieses Vorgehen hat mit gesundem, wirtschaftlichem Handeln - von Moral will ich gar nicht erst anfangen - nichts mehr zu tun. Über New York gibt den traurigen Satz: "The people who run the city can not afford to live in the city". Das führt dazu, dass der Einzelhandel ausstirbt und dass auch das kulturelle Angebot immer einseitiger wird. Und ich erzähle Ihnen sicherlich nichts neues, dass zwischen Kapital und Kultur nicht zwingend ein Zusammenhang bestehen muss.

Aber wie kann der im Moment noch märchenhafte Status in Berlin erhalten und die oben genannte Entwicklungen verhindert werden?

Unsere Auftraggeber sind vor allem mittelständische Wohnungsunternehmen und Bauträger, die natürlich gewinnorientiert sind aber auch mit dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein agieren. Aus meiner Sicht ist es wichtig vor allem den grossen Playern Grenzen aufzuzeigen.

Ich sehe hier vor allem drei Punkte:

+ Die von vielen geliebte Berliner Mischung in den Gründerzeit - Quartieren ist vor allem deshalb attraktiv, weil es einem hohen Anteil von Dienstleistungen, Kleingewerbe und Einzelhandel in den Erdgeschossen gibt. Das kann auf Dauer nur erhalten werden, wenn die Menschen, die in den Geschossen darüber leben, dies auch als Qualität begreifen und höhere Lärmpegel bereit sind zu akzeptieren. Denn das ist Voraussetzung, dass dann entsprechende Mieter auch sozial gefördert werden. Analog zur „Sozialwohnung“ gäbe es dann ein „Sozialgewerbe“.

+ Jedes neue Wohnungsbauvorhaben muss eine feste Quote an bezahlbaren Wohnungen für sozial schwächer gestellte Menschen / Familien vorweisen.

+ Leerstand aus Spekulationsgründen (das beinhaltet auch das Problem der Ferienwohnungen) führt ab einer bestimmten Frist zum Verlust der Entscheidungsgewalt über die Immobilie. Die Kontrolle könnte relativ leicht über die Energieverbrauchsdaten erfolgen. Wenn Sie das Thema interessiert, suchen Sie im Netz unter dem Begriff "Billionaires’ Row" (in etwa: Strasse der Milliardäre).

Bild - Quelle Titelbild: Die Welt, Berlin