Architektur und Macht

Mittwoch, 5. März 2014 00:00

Ein Artikel im Tagesspiegel über die Ukraine und den 2014 geflohenen, ehemaligen Präsidenten Janukowitsch "Wenn das Volk im Schlafzimmer steht ist das Regime erledigt" hat mir gefallen. Das ist eine Gelegenheiten zu sehen, ob Macht und die damit verbundenen finanziellen Möglichkeiten auch zu besserer Architektur führt.

Wenn ich mir die erstürmten Paläste von Marcos (Philippinen), Ceausescu (Rumänien), Hussein (Irak), Mubarak (Ägypten) oder eben Janukowitsch anschaue, finde ich es extrem beeindruckend, dass die Herrscher der jüngeren Vergangenheit sich immer noch im Stile barocker Könige eingerichtet haben. Selbst die überwiegende Zahl demokratisch gewählter europäischer Parlamente (Berlin, London, Madrid, Paris) tagt in Herrschaftsarchitekturen vergangener Jahrhunderte.

Beschreibung der Villa Janukowitsch, Zitat: "Innerhalb von drei Jahren wurde aus zwei ehemaligen Datschas und schäbigen Wirtschaftsgebäuden ein Gut mit einem üppigem 5 - Etagen - Haus, zwei 3 - Etagen-Gästehäuser, einem Golfplatz, einem Segelklub, einem Hubschrauberlandeplatz, einer Pferderennbahn mit Stall, Tennisanlagen u.v.m.

Die Innenausstattung im Mezhigirja - Palast ist extrem schick und besteht unter anderem aus mehreren Kristallleuchtern zum Preis von 97.000 USD pro Stück und Mahagoni - Vertäfelungen."

"Die Villa selbst ist eine architektonisch völlig geschmacklose Mischung aus gigantischer russischer Datscha und italienischem Palazzo. Sie hat dutzende Badezimmer, die Armaturen  sind vergoldet, ebenso die Toiletten. Seine eigene Toilette ließ sich Janukowitsch als mächtigen Thron bauen, mit feinem, güldenen Mosaiksteinchen drauf."

Macht und zeitgenössische Architektur gehen äusserst selten eine glückliche Symbiose ein. Eine kulturelle Entwicklung der Herrschenden Klasse findet eher selten statt. Für mich völlig überraschend macht Donald Trump da auch keine Ausnahme.

Die wichtigsten - leider seltenen - zeitgenössischen Beispiele in der jüngeren Vergangenheit sehe ich in Brasilia (Oscar Niemeyer), Canberra (Romaldo Giurgola) und - durchaus ein Grund für ein wenig Stolz - in Bonn und Berlin.


Über den unsäglichen Reichstag decke ich mal den Mantel des Schweigens.

Am Parlamentssaal in Bonn von Günther Behnisch haben wir selbst für das neue World Congress Center die Ausführungsplanung und die Objektüberwachung geplant. Ich habe das Gebäude mehrfach besichtigen können und bin immer wieder über die Bescheidenheit, Leichtigkeit und Offenheit der Architektur begeistert.

Das Paul Löbe Haus sowie die Erweiterung der Bundestagsbauten in Berlin von Stephan Braunfels und das Bundeskanzleramt von Axel Schultes und Charlotte Frank kommen uns in Ihrer Zeitlosigkeit mittlerweile selbstverständlich vor.

Mein Lieblingsprojekt ist aber das folgende: Hierbei handelt es sich um das wunderbare Parlamentsgebäude auf der Pazifik - Insel Kiribati. Alles was zeitgenössische Architektur leisten kann (eine moderne Interpretation der klassischen kiribatischen Versammlungshäuser, den sogenannten Maneabas) findet sich hier par excellence. Leider konnte ich den Architekten nicht recherchieren.

Ein sehr umstrittenes Beispiel ist das viel diskutierte Diözesane Zentrum Sankt Nikolaus in Limburg an der Lahn des Architekten Michael Frielinghaus. Unbestreitbar hat hier ein Missbrauch von Macht stattgefunden, der sich von dem der o. g. Diktatoren kaum unterscheidet. Ein Budget von 5 Mio Euro sollte auch durch einen Vertreter Gottes nicht um den Faktor 6 überschritten werden. Bei sachlicher Betrachtung der baulichen Realitäten ist aber sowohl aus architektonischer und insbesondere aus städtebaulicher Sicht ein Ensemble entstanden, welches sich zeitgenössisch und äusserst sensibel in die bauliche Struktur der Umgebung einfügt. Aus meiner Sicht ein kleines Meisterwerk.